A Song of Einkaufslisten und Pflichtaufgaben

Warum Schulden nicht von Schuld kommen

Bestimmt haben dich deine Eltern früher hin und wieder mal gebeten, ein paar Einkäufe im Supermarkt oder an der Bude zu erledigen. Bei mir kam das jedenfalls häufiger vor und ich habe das auch immer gerne gemacht. Oft lief das nämlich ungefähr so: Meine Eltern haben mir eine Einkaufsliste und zehn Mark gegeben, die Einkäufe haben 9 Mark gekostet und ich durfte den Rest sogar behalten. Eine Mark Überschuss, davon konnte man ja in den 90ern noch in Urlaub fahren, ins Kino gehen, zwei Bier trinken – und man hat sogar noch was zurückgekriegt!

Worauf ich hinaus will? Okay, stell dir kurz folgendes Setting vor. Die Bundesregierung ist deine Mutter, die Landesregierung dein Vater – und du, du bist eine Kommune im Ruhrgebiet. Ob du jetzt lieber Duisburg, Gellek oder das Emschervenedig Oberhausen sein möchtest, das entscheidest du selbst.

Jedenfalls geben dir Mutter Bund und Vatter Land eine Einkaufsliste, die du unbedingt abarbeiten musst. Auf dieser Liste stehen dann so attraktive Sachen wie das Meldewesen, Feuerwehren, die Einrichtung von Grundschulen und Kitas, Abwasser- und Abfallbeseitigung, die Unterbringung von Schutzsuchenden / Geflüchteten und die Auszahlung von sozialen Leistungen, wie z.B. Wohngeld. Als Kommune sind das für dich sogenannte Pflichtaufgaben.

Deine Bund-Land-Eltern drücken dir selbstredend auch Geld in die Hand. Du ziehst also mit deiner Pflichtaufgaben-Einkaufsliste los und willst alles zur elterlichen Zufriedenheit erledigen. Als du aber die Preise durchgehst, merkst du ganz schnell: Deine Alten haben dir viel zu wenig Kohle gegeben, das reicht doch hinten und vorne nicht. „Gut,“ denkst du dir, „ich strecke einfach was von meinem Ersparten vor und hole mir die Differenz wieder. Muss ja schließlich gemacht werden.“ Stolz arbeitest du also die Pflichtliste ab und bittest dann Vatter Land und Mutter Bund, dir das ausgelegte Geld zu erstatten.

 „Tja,“ sagen die Eltern und zucken mit den Schultern. „Da musst du schon selbst klarkommen. Vielleicht lernst du auf die Art auch mal, mit unserem hart erarbeiteten Geld umzugehen.“ Du guckst in die Röhre und bist völlig verdattert – was ist denn jetzt mit den schönen Sachen, für die du gespart hattest? Für das Schwimmbad, die Bibliothek? Für den Sportverein und das Museum? Natürlich beschwerst du dich lauthals - und du bist nicht allein: Deine Geschwister, nennen wir sie Herne und Bottrop, unterstützen dich dabei. Auch sie haben schließlich in der Vergangenheit von den Eltern zu hören bekommen, dass ein eigenes Freibad oder eine Begegnungsstätte nicht unbedingt nötig seien. Keine Pflichtaufgaben sozusagen - sondern eine Kirsche auf dem Eisbecher, die man freiwillige Aufgaben nennt.

Jetzt sind Bund und Land in Wirklichkeit natürlich keine strafenden Eltern und die Kommunen erst recht keine störrischen Kinder. Ganz im Gegenteil, in den Kommunen merken die Menschen zuerst, ob der Laden läuft oder nicht: Wann kriege ich den nächsten Termin, um meinen Perso zu verlängern? In welchem Zustand sind die örtlichen Schulgebäude? Und gibt es eigentlich genügend Sportplätze für die Vereine der Stadt? Du siehst schon, die Spanne der unterschiedlichen Aufgaben, die in den Kommunen erledigt werden, ist breit. Aber auch die Art der Aufgaben unterscheidet sich. Denn manche Aufgaben muss eine Kommune erfüllen - die sogenannten Pflichtaufgaben - und andere Aufgaben kann eine Kommune erfüllen - eben die freiwilligen Aufgaben. Und hier kommen wieder Bund und Land ins Spiel. Diese sind zwar keine strengen Eltern, aber sie geben den Kommunen tatsäschlich verschiedene Aufgaben vor, die diese erfüllen müssen, oder übertragen ihnen eigene. Und leider gilt hier tatsächlich nicht immer: Wer bestellt, der zahlt auch. 

Schauen wir uns diese Pflichtaufgaben der Kommunen mal genauer an. Erstens gibt es sogenannte ‘pflichtigeSelbstverwaltungsaufgaben’. Darunter fallen zum Beispiel die Abwasserbeseitigung oder der Bau von Schulgebäuden. Ganz sicher kennst Du aber auch die ein oder andere Straße in deiner Stadt, die mehr aus Schlaglöchern als aus Straße besteht. Diese Gemeindestraßen in Schuss zu halten, auch das ist eine kommunale Pflichtaufgabe. Bei diesen Aufgaben wird den Kommunen lediglich vorgegeben, dass sie sie erfüllen müssen, aber über das Wie können sie selbst entscheiden. Zweitens gibt es sogenannte ‘Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung’. Bei diesen wird den Kommunen nicht nur das Ob, sondern auch das Wie vorgegeben. Beispiele dafür sind das Melderecht oder die Bauaufsicht. Und schließlich gibt es die sogenannten ‘Auftragsangelegenheiten’, also Aufgaben, die die Kommunen im Auftrag von Bund oder Land erfüllen. Hierzu zählen zum Beispiel die Auszahlung des Wohngelds oder die Mithilfe und Durchführung von Landtagswahlen. 

Diesen Aufgaben, die erledigt werden müssen, stehen die freiwilligen Aufgaben entgegen. Klassische Beispiele hierfür sind Museen, Theater, Parks, Sportanlagen oder Schwimmbäder. Sie stellen quasi das Herzstück der kommunalen Selbstverwaltung dar, weil hier die Kommunen selbstständig über das Ob und das Wie des Betriebs entscheiden. Leider macht sie das aber manchmal fälschlicherweise zu Nice-to-haves. Denn sicherlich wird es für Dich keine Neuigkeit sein, dass viele Kommunen verschuldet sind und sparen müssen. Gerade Kommunen im Ruhrgebiet haben mit sogenannten Altschulden zu kämpfen und daher kaum finanzielle Spielräume. Und was macht man, wenn das Geld knapp ist? Genau, man spart natürlich erstmal an den Stellen, an denen man vermeintlich sparen kann. Und da die Kommunen kaum Einfluss auf die Erledigung ihrer Pflichtaufgaben haben, muss häufig bei den Sportplätzen und Schwimmbädern gespart und manchmal der Betrieb auch ganz eingestellt werden. So ist die Fläche der Schwimmbäder in NRW beispielsweise zwischen 2016 und 2021 um sechs Prozent gesunken. Das führt nicht nur zu weniger Freizeitmöglichkeiten, sondern heißt auch weniger Vereins- oder Schulschwimmen und dadurch mehr Menschen in NRW, die nicht mehr richtig schwimmen können. Oder anders gesagt: Wenn den Kommunen finanziell das Wasser bis zum Hals steht, gilt das für die Menschen in NRW bald auch ganz wörtlich.

Dass die Schulden einer Kommune nicht in erster Linie ihre Schuld sind, sollte der kleine Exkurs zum Thema Pflichtaufgaben zeigen. Tatsächlich wurden den Kommunen in den letzten Jahrzehnten immer mehr Aufgaben von Mutter Bund und Vater Land übertragen, ohne dass dabei auch das entsprechende Kleingeld locker gemacht wurde. Und warum gerade Städte im Ruhrgebiet besonders davon betroffen sind und was man politisch gegen die sogenannten ‘Altschulden’ machen kann, darum soll es in meinem nächsten Blogbeitrag gehen. Ich freue mich, wenn Du wieder reinliest. 

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