Warum Berufsschulen nicht von gestern, sondern für morgen sind
Ausbildungsblog IV
Kennt ihr Elizabeth Magie? Wahrscheinlich nicht, aber sicherlich habt ihr euch schonmal über ihre Erfindung geärgert oder gefreut, je nachdem wie gut ihr im Monopoly-Spielen seid. Mit ihrem Spiel „The Landlord’s Game“ hat Magie nämlich Anfang des letzten Jahrhunderts die Grundlage für den Spieleklassiker geschaffen. Warum erzähle ich Euch das? Weil das Beispiel zeigt, dass es manchmal Personen oder Sachen gibt, die nicht die Anerkennung bekommen, die sie verdienen. Oder wie Kettcar singen: „Nur weil man sich so dran gewöhnt hat, ist es nicht normal. Nur weil man es nicht besser kennt, ist es nicht, (noch lange nicht) egal (egal, egal, egal).“ Und um so eine Sache, die im Leben vieler Menschen eine ganz wichtige Rolle spielt und die viel zu wenig Anerkennung dafür erhält, geht es in dieser Ausgabe meines Ausbildungsblogs.
Es geht um die Berufsschulen. Wie ihr schon in meinen vorherigen Ausgaben nachlesen konntet, stellt die Berufsschule eine der zwei Säulen unseres dualen Ausbildungssystem dar. Ihr erinnert Euch: 2 Wissen ist besser als 1 Wissen. Im Betrieb lernen Azubis den praktischen Teil ihrer Ausbildung und in der Berufsschule geht es um den theoretischen Teil. Es ist gerade diese Kombination aus Betrieb und Berufsschule, die das deutsche Ausbildungssystem zu einem solchen Erfolgsmodell macht. Man könnte auch sagen: Wenn es die Berufsschulen nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Leider bröckelt diese zweite Säule aber schon seit einigen Jahren und das teilweise auch buchstäblich. Während die eine Berufsschule gut aufgestellt ist, müssen in der anderen die Schüler:innen nach Pausen getrennt auf Toilette gehen, weil es nicht genügend gibt. Doch nicht nur beim Zustand der Gebäude gibt es Probleme. Die mangelnde Ausstattung mit zeitgemäßen Unterrichtsmaterialien und technischen Geräten, die mangelnde Digitalisierung und auch der Lehrkräftemangeln an den Berufsschulen sorgen dafür, dass laut DGB-Ausbildungsreport knapp die Hälfte aller Auszubildenden unzufrieden mit der Qualität ihres Berufsschulunterrichts sind. Höchste Zeit also, die Berufsschulen wieder auf die Karte zu packen.
Deshalb will ich mit konkreten Maßnahmen dafür sorgen, dass die Berufsschulen wieder in die Lage versetzt werden, ihre wichtige Rolle im Ausbildungssystem auch komplett wahrnehmen zu können. Um das zu erreichen, müssen die beiden Hauptprobleme – mangelnde Ausstattung und Lehrkräftemangel – angegangen werden. In NRW hat die Sozialdemokratie schon einmal gezeigt, wie man marode und schlecht ausgestattete Schulen wieder zu starken Lehr- und Lernorten macht. Mit dem Investitionsprogramm „Gute Schule 2020“ ist es der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 2016 gelungen, den Kommunen als Schulträgerinnen die finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, die es gebraucht hat, um dringend notwendige Investitionen in die Schulen vor Ort zu tätigen. Ein solches Programm brauchen wir nun auch für die Berufskollegs und Berufsschulen in NRW. Dieses muss sowohl für die bauliche Modernisierung verwendet werden können wie auch für die zeitgemäße Ausstattung mit Unterrichtsmaterialien und technischen Geräten. Wo es notwendig ist, muss außerdem der “Digitalpakt Schule”, den die Bundesebene aufgelegt hat, aufgestockt werden, um nicht nur die digitale Ausstattung mit Endgeräten sicherzustellen, sondern auch den zusätzlichen Bedarf an IT-Kräften zu gewährleisten.
Doch top ausgestattete und digitalisierte Berufsschulen sind nichts ohne ausreichende Lehrkräfte. Wie groß der Lehrer:innen-Mangel ist, sieht man allein beim Blick auf die Zahlen. Laut Schulministerium müssten durchschnittlich 700 Lehrkräfte jedes Jahr an Nordrhein-Westfalens Berufskollegs neu eingestellt werden. Tatsächlich werden jährlich aber nur 500 ausgebildet, sodass sich der Personalmangel von Jahr zu Jahr verschärft. Das Ministerium prognostiziert für das Jahr 2030, dass circa 5.000 Lehrkräfte fehlen werden. Und Fachkräftemangel an den Berufskollegs bedeutet Fachkräftemangel in den Betrieben, bedeutet Wirtschaftskraftmangel für NRW. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute ist, dass man bei dieser dramatischen Entwicklung nicht tatenlos zusehen muss, sondern was machen kann. Nordrhein-Westfalen braucht jetzt eine Personaloffensive, um diese Prognose nie Realität werden zu lassen. Dafür muss grundsätzlich der Lehrberuf an Berufskollegs attraktiver werden. Es braucht eine bessere Bezahlung, Arbeitszeiten, die zum Leben passen und Aufstiegsmöglichkeiten im Job. Konkret heißt das, dass das Lehramt an Berufskollegs dem Lehramt am Gymnasium gleichgestellt werden muss, was die Fragen der Bezahlung und der Beförderungsmöglichkeiten angeht, sodass der Lehrberuf an Berufskollegs eine gleichberechtigte Option und nicht die zweite oder dritte Wahl für angehende Lehrer:innen ist. Dies sowie flexiblere Arbeitszeiten überzeugen außerdem auch dringend benötigte Quereinsteiger:innen, aus dem Betrieb ins Berufskolleg als Arbeitsort zu wechseln.
Wenn wir diese beiden Herausforderungen einer zeitgemäßen, digitalen Ausstattung auf der einen Seite und ausreichend Lehrkräften auf der anderen Seite bewältigt bekommen, sorgen wir dafür, dass hunderttausende von jungen Menschen nicht länger von kaputten Toiletten berichten, wenn sie von ihrer Berufsschule erzählen, sondern von High-Tech-Geräten und nem richtig spannenden Unterricht. Wir sorgen dafür, dass ihre berufliche Bildung wieder den Stellenwert bekommt, der ihr zusteht. Kurzum: Wir sorgen dafür, dass Berufsschulen nicht von gestern, sondern für morgen sind.
Ausblick:
In diesem Blog-Beitrag ging es mir darum, wie die Berufsschulen von morgen aussehen müssen, damit sie ihrer so wichtigen Aufgabe in der Dualen Berufsausbildung wieder gerecht werden können. Aber ihr wisst ja, wie sehr mir das Thema “Zukunft” am Herzen liegt und deshalb soll es in einem meiner nächsten Blog-Beiträge darum gehen, wie die Berufsschulen von übermorgen aussehen könnten. Denn während alle von der sozial-ökologischen Transformation reden, muss es doch darum gehen, diese auch ganz praktisch zu gestalten. Ich will, dass unsere Berufsschulen dabei zu Transformationszentren werden, die man nicht nur einmal am Beginn seiner beruflichen Laufbahn besucht, sondern die auch offen für Beschäftigte sind, die eine Weiterbildung oder Umschulung machen möchten. Als Transformationszentren wären die Berufsschulen außerdem viel besser vernetzt mit den Fachhochschulen und Universitäten. Durch eine enge Einbindung in die dort stattfindende Forschung wären sie noch attraktivere Lehr- und Lernort für Auszubildende wie für Lehrer:innen, weil man an diesen Transformationszentren auch für Jobs ausgebildet werden könnte, die gerade erst neu entstanden sind.
Klingt ganz spannend, oder? Wie diese Vision von Berufsschulen als Transformationszentren ganz konkret aussieht, erfahrt ihr dann bald hier an selber Stelle.
Bonus:
Ihr fragt Euch vielleicht: Berufsschule, Berufskolleg - ist dat eigentlich dasselbe? Nicht ganz.
An der Berufsschule findet ja der theoretische Teil der dualen Ausbildung statt; der praktische Teil, wie gesagt, im Betrieb. Das sieht in der Regel so aus, dass die Azubis entweder zwei Tage pro Woche in der Berufsschule sind und drei Tage im Betrieb. Oder der Unterricht in der Berufsschule kann auch in Blöcken erfolgen.
Das Berufskolleg hingegen kann noch mehr. Hier können ganz unterschiedliche Abschlüsse erworben und es können sowohl theoretische als auch praktische Anteile unterrichtet werden. Mögliche Abschlüsse an einem Berufskolleg sind z.B.: allgemeine Hochschulreife, Fachhochschulreife, Hauptschulabschluss, Berufsabschluss oder Fachoberschulreife.
Eine Berufsschule ist Teil eines Berufskollegs. Dort finden sich aber auch Berufsfachschulen, Fachoberschulen, berufliche Gymnasien und Fachschulen - alle unter einem Dach. Weitere Infos findet ihr hier.